In der literarischen Gattung der Lyrik gibt es verschiedene Gedichtformen, auch Gedichtarten, welche ähnliche Merkmale aufweisen. Solche Gedichtformen zeichnen sich dadurch aus, dass es bestimmte Vorgaben gibt, wie ein solches Gedicht gestaltet werden muss. Beispielsweise kann die Länge, also die Anzahl der Verszeilen und Strophen sowie das Versmaß oder das Reimschema festgelegt sein. Weiterhin existieren Sammelbezeichnungen, worunter verschiedene Gedichtarten fallen können, welche dann aber einen gleichen thematischen Bezug haben. Nachfolgend eine Übersicht.
Gedichtformen (alphabetisch) |
Merkmale |
---|---|
Akrostichon | Ein Text, der darauf basiert, dass die Anfangsbuchstaben, ersten Silben oder Wörter aufeinanderfolgender Verszeilen oder auch Strophen eine Sinneinheit oder einen eigenständigen Satz bilden. Kann prinzipiell auch in anderen Gattungen vorkommen, findet sich aber zumeist in Liedern oder Gedichten. |
Ballade | Meist handelt es sich um ein mehrstrophiges erzählendes Gedicht. Also um einen Text, der durch Verse und Strophen gegliedert und von Reimen geprägt ist, wobei sich oft ein festes, aber nicht vorgegebenes, Metrum findet.
Das wesentliche Merkmal der Ballade ist, dass sie eine Mischform der literarischen Gattungen bildet: in ihr kommen sowohl epische (das Erzählen einer Geschichte), lyrische (formal betrachtet ein Gedicht) als auch dramatische (Monologe, Dialoge) Elemente vor. |
Chant royal | Eine Sonderform der französischen Ballade. Wird aus fünf elfzeiligen Strophen gebildet, die häufig aus zehnsilbigen Versen bestehen, welche meist dem Schema ababccddede folgen und durch eine Schlussstrophe abgerundet werden. Diese folgt dem Muster ddede. Alle Strophen enden dabei auf den gleichen Vers. Hierbei werden nur fünf verschiedene Reime gebraucht, die aber stets ein anderes Reimwort nutzen. Das Chant royal war oftmals allegorisch. |
Drápa | Ist ein altnordisches Preislied, auch Lobgesang, das einzelne Personen oder auch ganze Stämme besingt und Strophen aufweist. Die einzelnen Strophen orientieren sich an der strengsten Form der altnordischen Skaldendichtung: dem Dróttkvætt-Maß. Besteht aus Einleitung, Mittelteil und Schluss. Der Mittelteil zeichnet sich durch Kehrreime aus. Diese Gedichtform war vor allem im 9. bis 13. Jahrhundert verbreitet. |
Elegie | Gilt nur in ursprünglicher Form als eigenständige Gedichtform. Meint dann ein Gedicht, das ausschließlich in Distichen verfasst wird. Als Distichon wird ein Verspaar, das aus einem Hexameter und einen Pentameter gebildet wird, bezeichnet. Später galt die Elegie als Überbegriff für (Klage-)Gedichte. |
Elfchen | Besteht aus fünf Versen. Der erste Vers besteht aus einem Nomen; der zweite beschreibt dieses mit zwei Wörtern noch genauer; die dritte Zeile besteht aus drei Wörtern, die angeben, was das Nomen tut; die vierte Verszeile zeigt einen allgemeinen Gedanken zum Thema, der letzte Vers bildet ein Fazit des Gedichts. |
Epigramm | War ursprünglich eine kurze Inschrift auf Gräbern, Gebäuden und Geschenken. Daraus entwickelte sich eine eigenständige Gedichtform. Das Epigramm bestand zumeist aus Distichen (ein Hexameter sowie ein Pentameter).
Charakteristisch ist die Kürze des Gedichts, da dieses zumeist nicht mehr als vier Verszeilen hat. Es ist entweder eine Art Sinngedicht, gibt also pointiert und treffend einen Gedanken wieder oder ist als Spottgedicht verfasst und verhöhnt dabei eine Person, Gruppe oder Instanz. |
Glosse (glosa) |
Vornehmlich meint der Begriff eine journalistische Textsorte. Das Wort bezeichnet aber auch eine spanische Gedichtform, die vor allem in der deutschen Romantik nachgeahmt wurde. Die Glosse handelt meist von einem philosophischen oder erotischen Inhalt. Sie hat vier Strophen zu je zehn Versen, die dem Reimschema der Dezime folgen (abba/ac/cddc). |
Haiku | Ist eine traditionelle japanische Gedichtform. Diese besteht aus drei Wortgruppen (Verse) mit fünf, sieben und fünf Lauteinheiten (diese werden als Moren genannt). Im Deutschen werden die Lauteinheiten oft in Silben umgedeutet.
Allerdings wird das Haiku zumeist frei umgesetzt, weshalb viele Haikus weniger als 17 Silben aufweisen. Die erste Zeile des Haikus benennt zumeist einen konkreten Sachverhalt, häufig eine Jahreszeit und hat einen unmittelbaren Bezug zur Gegenwart, also zum Hier und Jetzt. |
Hymne | Diese Gedichtart hat keine feste Form, weshalb sie zumeist in freien Versen umgesetzt wird. Die Hymne ist die festliche Preisung, wobei häufig eine Gottheit besungen wird. Dennoch gibt es Beispiele, die Ortschaften oder auch Personen besingen. Stilistisch ähnelt sie deshalb der Ode. Im Zuge der Apotheose einer Person(Vergötterung von Sterblichen) kommen oft Hymnen zum Einsatz. |
Kanzone | Ist eine Mischform aus Lied und Ode, wobei sie der ernsten sowie schwermütigen Betrachtung eines Sachverhalts dient. Sie besteht aus mehreren längeren, aber gleich gebauten Strophen, wobei eine kürzere Schlussstrophe den Abschluss bildet.
Im Mittelhochdeutschen bestand eine Kanzone aus drei Teilen, welche als Stollen bezeichnet werden. Die ersten beiden Stollen waren aufgrund der äußeren Merkmale identisch und wurden als Aufgesang bezeichnet, der letzte Teil, der Abgesang, konnte sich aber unterscheiden. Metrisch waren die Stollen gleich. |
Konkrete Poesie | Zählt im Eigentlichen nicht zu den verschiedenen Gedichtformen, sondern ist eine bestimmte Art Gedichte zu schreiben. Hierbei dient die Sprache nicht mehr der Beschreibung einer Sache, sondern wird selbst zur Darstellung genutzt. So könnte in einem Werk stets das Substantiv Apfel wiederholt werden, wobei es durch die Anordnung der Wörter selbst wie ein zweidimensionaler Apfel aussieht. |
Lehrgedicht | Form des Gedichts, die vor allem im Mittelalter und der Antike verbreitet war. Das Lehrgedicht ist zumeist moralisch und hat einen lehrhaften Charakter und kann sämtliche Wissensgebiete streifen. Sehr häufig besteht es ausschließlich aus Hexametern, wobei es auch Beispiele gibt, die aus Distichen (Hexameter und Pentameter) gebildet werden. Anzahl der Strophen und Verse sind hier nicht festgelegt. |
Lied | Eine Gedichtform, die strophisch gegliedert ist und sich zumeist durch einen einfachen Volkston auszeichnet. Zumeist ist das Reimschema durchgehend, wobei die Verse eher kurz ausfallen. Oftmals wird die Abfolge der Strophen durch eine wiederkehrende Wortfolge unterbrochen (Refrain). |
Limerick | Eigentlich ein Nonsensvers, der aber in der Regel allein steht und somit als eigenständige Gedichtart wahrgenommen wird. Ist humorvoll, ironisch, teils grotesk und endet stets auf eine unsinnige Endzeile. Besteht in den meisten Fällen aus fünf anapästischen Versen mit 3, 3, 2, 2, 3 Hebungen und dem Reimschema aabba. |
Madrigal | In der Literatur bezeichnet das Madrigal eine Gedichtform der italienischen Lyrik des 14. Jahrhunderts. Das Gedicht besteht in der Regel, auch wenn es Abweichungen gibt, aus zwei oder drei Stanzen mit drei Doppelversen und einem anschließenden Refrain aus zwei Verszeilen, welche paarig reimen. |
Ode | Oden sind Gedichte, die etwas lobpreisen. Sie sind in Strophen gegliedert, weisen dabei allerdings kein festes Reimschema auf. In der Antike folgten Oden zumeist bestimmten Odenstrophen, die einen vorgegebenen Aufbau hatten (alkäische, sapphische oder asklepiadeische Odenstrophe). |
Prosagedicht | Meint eine Textart zwischen Prosa und Gedicht. Das Prosagedicht ist eine kunstvoll strukturierte und rhythmisch-klanglich gestaltete Prosa, die sich von der Lyrik vornehmlich insofern unterscheidet, als dass Endreime fehlen und die Rede nicht durch Verse gebunden ist. Ein Prosagedicht ist jedoch nicht nur sehr rhythmisch, sondern außerdem bildstark, weshalb es stark von lyrischen Gestaltungs- und Stilmitteln durchzogen ist, wie etwa Assonanzen, Binnenreime etc. |
Rondell | Gehört zu den Gedichtformen, die zumeist ungereimt sind und umfast in der Regel acht Zeilen. Es gibt zwei verschiedene Arten des Rondells, beide haben allerdings gemeinsam, dass sie mit dem Wiederholen einzelner Elemente spielen.
In der ersten Variante besteht jede Zeile aus einem kurzen, aber vollständigen Satz oder aus einem abgeschlossenen Satzteil besteht, der in der zweiten Zeile durch einen Nebensatz ergänzt wird. Der Satz aus dem ersten Vers wird in Zeile 4 und 7 wiederholt. Die zweite Zeile wird im letzten Vers wiederholt. Die Verszeilen 3, 5 und 6 sind weitere Ergänzungen oder verstärken das Hauptthema. In der zweiten geläufigen Variante des Rondells, müssen die Zeilen keine vollständigen Sätze oder Satzeinheiten beinhalten. Es ist ausreichend, wenn der Satz, um vollständig zu sein, im nächsten Satz vervollständigt wird. Hierbei wird außerdem nicht die erste, sondern die 2. Zeile in Zeile 4 und Zeile 7 wiederholt. Weitere Wiederholungen sind kein Muss. |
Sestine | Diese Gedichtform besteht aus sechs Strophen, die sich durch je sechs jambische Verszeilen auszeichnen. Das wesentliche Merkmal der Sestine ist das Beibehalten der Reimwörter der ersten Strophe in einer festgelegten Reihenfolge. Nummeriert man die Verse der ersten Strophe von 1 bis 6, ergibt sich für die zweite Strophe die Abfolge 612345, für die dritte 561234, für die vierte 456123, für die fünfte 345612 und für die sechste 234561. |
Sonett | Ist ein vierzehnzeiliges Gedicht, das aus zwei vierzeiligen und zwei dreizeiligen Strophen besteht. Die Vierzeiler werden Quartette und die Dreilzeiler Terzette genannt. Charakteristisch ist die Verwendung alternierender (abwechselnde Hebung und Senkung) Versmaße, wobei meist der Jambus verwendet wird. Das Reimschema variiert. Typisch ist ein umarmender Reim im Quartett, wobei die Terzette meist dem Muster cdc/dcd, cde/cde und ccd/eed folgen. |
Vilanelle | Ursprünglich ein einfaches Bauern- und Hirtenlied. Wurde später allerdings zu folgender Gedichtform ausgeformt: keine festgelegte Anzahl von Strophen, wobei es meist vier sind, die sehr häufig 8 Verse haben, welche aus sieben oder elf Silben bestehen. Das Reimschema folgt meist dem Muster abababcc, ähnelt also der Stanze. Das Paar cc wurde oft strophenübergreifend als Kehrreim wiederholt. |